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Gundara - Tolle Taschen aus Afghanistan | Hauptstadt Blog | 06.04.2010

Zwei Berliner importieren Ledertaschen, Filzprodukte und andere Dekorationsgegenstände aus Afghanistan

Ich liebe schöne Dinge, auch simple Gebrauchsgegenstände für die tägliche Nutzung, und Handgemachtes ganz besonders. So etwas finde ich einfach unschlagbar, das habe ich neulich erst wieder gemerkt, als ich das Bett etwas aufgearbeitet habe, das mir mein Vater vor fast 20 Jahren gebaut hat. Nein, für mich muss es nicht immer wieder irgendein teurer, technischer Schnickschnack sein, der in ein paar Monaten schon als veraltet gilt.

Wohl deshalb lässt mich Gundara nicht los. Hier im Hauptstadtblog gab es schon einen Hinweis und bei mir zu Hause ohnehin. Und jetzt habe ich mich aufgemacht, um mehr darüber zu erfahren, und Gunda und Jean zu einem Interview – auf deutsch, englisch und französisch – getroffen.

Wie kam es zu der Idee, Taschen ausgerechnet aus Afghanistan zu importieren?

Gunda: Jean und ich haben beide mehrere Jahre für verschiedene Entwicklungsorganisationen in Kabul gearbeitet. Er ist Geograph und ich Politologin, wir interessieren uns aber beide auch für kreative Dinge. Dort habe ich zunächst in meiner Freizeit angefangen, für mich selbst Ledertaschen zu entwerfen und diese bei einer kleinen Leder-Manufaktur zu bestellen. Jean hatte dann die tolle Idee, aus den geschaffenen Modellen einen Bestellkatalog zusammenzustellen.

Jean: Die Grundidee ist die eines „Projektes für Business Development“ in Afghanistan. Wir wollten nicht einfach ein Projekt finanzieren, es sollte auch Profit damit gemacht werden, um auf beiden Seiten Anreize zu schaffen und so die Nachhaltigkeit des Geschäfts zu sichern. Inzwischen haben wir nicht mehr nur noch die Taschen im Programm, sondern auch andere Produkte aus Zentralasien.

Gunda: Eine weiterer wichtiger Aspekt ist es natürlich, dass wir auf diese Weise ganz praktisch aufzeigen können, dass selbst ein Land wie Afghanistan, das in den Medien fast ausschließlich sehr negativ dargestellt wird, durchaus etwas zu bieten hat. Afghanen und auch Ausländer sollen so erfahren, dass in Kabul schöne und vor allem qualitativ hochwertige Ledertaschen hergestellt werden können. Und dass es einen internationalen Markt für diese Produkte geben kann.

Wer entwirft denn die Modelle heute?

Gunda: Das mache vor allem ich, wobei ich mich teilweise durch kirgisische Nomadenmotive inspirieren lasse. Dabei achte ich auf eine harmonische Verknüpfung zwischen zentralasiatisch-traditionell und europäisch-modern. Außerdem müssen sie natürlich funktionell sein, das ist mir sehr wichtig. Ich mache entweder Zeichnungen oder ich nähe die neuen Modelle vor.

Jean: Einige Modelle hatte Herr Jaqub, der Inhaber der Manufaktur in Kabul, aber auch schon in seinem Programm. Wir haben diese dann teilweise adaptiert, nur wenig abgeändert und in unser Programm übernommen. Mittlerweile haben wir bei Gundara mehr als 80 Modelle entwickelt.

Wie muss man sich denn die Produktion vor Ort vorstellen?

Gunda: Die Taschen werden nach wie vor in der kleinen Manufaktur im Zentrum von Kabul genäht. Herr Jaqub wird dabei von zwei Mitarbeitern und einem Lehrling unterstützt. Das Naturleder kommt aus Nordafghanistan, aus der Gegend von Mazar-e Sharif, die gefärbten Leder werden aus Pakistan importiert. Da es oft zu Stromausfällen kommt, ist es gut, dass noch die guten alten Nähmaschinen zum Einsatz kommen, die auch per Fuß betrieben werden können.

Jean: Natürlich ist der Standort Afghanistan kein einfacher. Es ist wirklich nicht immer leicht, so ein Projekt am Laufen zu halten. Vor allem Herr Jaqub hat bereits einige Schicksalsschläge erlitten. Die Manufaktur befand sich bis vor ein paar Monaten direkt gegenüber der indischen Botschaft, wo es im Sommer 2008 und im Herbst 2009 zu Selbstmordanschlägen kam. Beide Male wurde auch die Manufaktur wesentlich beschädigt, aber zum Glück wurde niemand verletzt. Es wurden jedoch etliche bereits fertig gestellte Taschen zerstört und die Manufaktur musste zweimal wieder neu aufgebaut werden. Inzwischen ist sie in eine ruhigere Seitengasse umgezogen.

Gunda: Ein anderes Problem ist allerdings, dass nach dem ersten Anschlag die Hauptstraße gesperrt wurde und nur noch wenig Leute dieses Viertel überhaupt betreten können. Es fehlt also Laufkundschaft. Trotzdem geht es weiter bergauf. Anfang März kam eine neue Lieferung in Berlin an: 40 Kilo Ledertaschen!

Was bedeutet die Zusammenarbeit mit dem Standort Berlin denn für Herrn Jaqub und seine Handwerker vor Ort?

Gunda: Für unseren Partner in Kabul bedeutet es natürlich zunächst einmal einen enormen Zuwachs an Profit. Er ist aber auch sehr stolz, dass er ins Ausland exportieren kann. Darüber hinaus hilft es ihm, seine Produkte besser zu vermarkten und weiterzuentwickeln, auch die Qualität konnte seit der Zusammenarbeit gesteigert werden.

Wie sind denn der Transport und die Lieferung organisiert? Ist das nicht kompliziert?

Jean: Das ist natürlich schwierig. Früher haben wir immer, wenn wir eine Bestellung hereinbekamen, direkt in Afghanistan geordert. Die Ware wurde dann mit der afghanischen Post oder DHL von Kabul aus nach Berlin oder auch an den Kunden im Ausland versandt. Wir haben bereits nach Dänemark, in die USA und die Schweiz, nach Mazedonien, Luxemburg, Schweden usw. geliefert. Bei solch kleinen Liefermengen ist der Versand allerdings relativ teuer, sodass wir jetzt die Strategie geändert haben.

Gunda: Ein Großteil der Taschen sind nun in Berlin vorrätig, innerhalb Deutschlands kann also in wenigen Tagen geliefert werden. Die Lieferung ist dann auf jeden Fall auch sicher. Und falls es eine Verzögerung geben sollte, informieren wir den Kunden natürlich sofort darüber, wo seine schöne Ledertasche gerade steckt.

Wie sehen denn Eure nächsten Pläne aus? Gibt es bald etwas Neues von Gundara?

Jean: In letzter Zeit haben wir vor allem den Online-Shop optimiert und unsere Produktpalette erweitert. Neben Ledertaschen haben wir jetzt auch viele Filzprodukte im Sortiment, die von einer Frauenvereinigung in Kabul gefertigt werden. Außerdem gibt es bei uns handgewebte „Suzani“ (Teppiche) und andere schöne Deko-Artikel aus Zentralasien.

Gunda: In Berlin gibt es seit Anfang des Jahres die tolle Gelegenheit, ungefähr einmal im Monat die Gundara-Produkte in einem „Offenen Haus“ in Treptow live zu erleben. Wer Interesse daran hat, kann sich per Email direkt an uns wenden. Wir laden Euch dann gerne ein.

Jean: Außerdem soll Gundara natürlich weiter wachsen. Wir führen gerade Verhandlungen mit verschiedenen Läden in Berlin, in denen Gundara-Taschen in Zukunft direkt angeboten werden sollen. Und auf Berliner Märkten werden wir ebenfalls in den kommenden Monaten immer wieder einmal vertreten sein, auch wenn unsere Basis erstmal der Online-Shop bleiben wird.

Was bedeutet eigentlich „Gundara“?

Gunda: Das ist eine Eigenkreation ohne konkrete Bedeutung. „Gandhara“ ist allerdings die Bezeichnung für die buddhistisch beeinflusste Zeit in Südasien. Und es erinnert an „Guldara“, das persische Wort für Blumental.

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