Made in Afghanistan | Berliner Zeitung | 30.04.2010

Das Label Gundara aus Treptow entwirft Ledertaschen und lässt sie in Kabul nähen

von Eva Dorothée Schmid

Berlin - Für Mohamad Yaqub war es, als hätte Allah die zwei Berliner zu ihm geschickt, im Februar 2009, just einen Tag nachdem seine Tochter starb. Die beiden wollten einen Katalog machen, mit Taschen, die in seiner Ledermanufaktur in Kabul hergestellt werden sollten. Er hat damals noch nicht so recht verstanden, was die beiden genau vorhaben, doch inzwischen konnte er seinen sechs Kindern zum ersten Mal wieder Geschenke zum afghanischen Neujahrsfest kaufen.

Gunda Wiegmann und ihr Freund Jean Amat Amoros haben Mohamad Yaqubs Ledermanufaktur zum Laufen gebracht. Die beiden arbeiteten für Entwicklungshilfeorganisationen in Afghanistan. Wiegmann entdeckte eines Tages die Manufaktur von Herrn Yaqub, viel Auswahl gab es dort damals nicht. Sie spricht wie ihr Freund die Landessprache Dari und fragte, ob er auch eine Tasche nach ihren Wünschen fertigen könne. Er konnte, die 31-Jährige ließ sich einige Taschen nähen, nach eigenen Entwürfen. „Ich war schon immer kreativ und nähte gerne“, sagt die Politologin. Ihr Freund hatte dann die Idee, einen Katalog zu machen, aus dem Bekannte Taschen bestellen konnten – entworfen von Gunda Wiegmann, hergestellt in Yaqubs Laden.

„Wir wollten zeigen, dass in Afghanistan nicht nur Krieg herrscht, sondern dass man dort auch schöne Sachen produzieren kann“, sagt der 34-jährige Geograf. Seine Freundin fügt hinzu, in der Manufaktur habe sie nie andere Kunden gesehen. „Wir wollten helfen, etwas in Gang zu bringen.“ Um Entwicklungshilfe ging es dabei nicht allein. „Es ging von Anfang an auch um Profit, denn das schafft Anreize auf beiden Seiten“, sagt Wiegmann.

Zu Sowjetzeiten betrieb Yaqub eine Taschenfabrik, dann floh er vor den Taliban nach Pakistan. Jetzt ist er zurück in Kabul und hat mit drei Mitarbeitern wieder eine kleine Manufaktur aufgebaut – gegenüber der indischen Botschaft. Zweimal gab es dort Selbstmordattentate, die Manufaktur mit den zwei Nähmaschinen, die bei den häufigen Stromausfällen auch per Fußpedal bedient werden können, wurde beschädigt. Seitdem ist die Straße gesperrt, so dass sich nur selten Laufkundschaft zu Herrn Yaqubs verirrt.

Doch der Laden läuft besser denn je. Wiegmann und Amoros sind wieder in Berlin, seit August betreiben sie von Treptow aus den Onlineshop https://gundara.com. Dort verkaufen sie 80 Taschenmodelle aus Leder, die meisten kosten um die 50 Euro. Das naturbelassene Ziegenleder kommt aus Masar-i-Sharif, wo es viele Gerbereien gibt, das gefärbte Schafsleder wird aus Pakistan importiert. Es gibt auch die Karsai-Tasche, die besteht neben Leder aus Chopan-Stoff, aus dem die traditionellen Mäntel sind, wie sie der afghanische Präsident trägt. Gundara sei ein Kunstwort, erklärt Wiegmann, das zum einen an Gandara, die buddhistisch geprägte Periode in Afghanistan angelehnt ist, zum anderen an ihren Vornamen Gunda und Ähnlichkeit mit Guldara habe, was auf Dari Blumental heiße.

Für Leute, die die Taschen anfassen und nicht nur im Internet betrachten wollen, veranstaltet Gundara einmal im Monat eine Taschenparty, demnächst soll es die Modelle auch auf Märkten geben. Anfangs wurde nur auf Bestellung gefertigt – aber es dauerte manchmal bis zu zwei Monate, bis die Lieferung in Deutschland eintraf. Deshalb haben Wiegmann und Amoros ihre Strategie geändert. Im Februar bestellten sie Dutzende Taschen, die jetzt in ihrer Wohnung auf Käufer warten. Seit die afghanische Post darauf bestand, vor dem Versand sämtliche Nähte aufzutrennen, angeblich um nach eingenähten Drogen zu suchen, sind Wiegmann und Amoros zu DHL gewechselt.

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