Taschen aus Afghanistan | Hallo Mittwoch | 13.10.2010
NORTHEIM / BERLIN / KABUL (ms) - „Wir wollen eine positive Nachricht aus Afghanistan in die Welt schicken“, sagt die gebürtige Northeimern Dr. Gunda Wiegmann. Die 32 jährige Politologin war mehrere Jahre für verschiedene Organisationen, unter anderem die Welthungerhilfe und die UNO, als Entwicklungshelferin in Afghanistan tätig. „Ich habe mich schon sehr lange für die Region Zentralasiens interessiert und mich nach dem Studium gezielt auf Stellen in diesen Ländern beworben“, sagt sie. Und wie wohl fast jede Frau hat auch Dr. Gunda Wiegmann ein Faible für schöne und individuelle Taschen.
In der Hauptstadt Kabul fand sie zufällig eine kleine Manufaktur, in der sie – zuerst nur für den Eigenbedarf – Taschen nach ihren Entwürfen nähen ließ. Doch dabei blieb es nicht: Wie sich die Idee mit den Taschen aus Afghanistan in nur kurzer Zeit zu einer richtigen Erfolgs story weiter entwickelt hat, lesen Sie auf „Herr Yaqub schöpfte sicherlich neue Hoffnung, als wir mit unserer Idee in seinen Laden im Zentrum Kabul traten“, erzählt Dr. Gunda Wiegmann. Nach dem Tod seiner ältesten Tochter am Tag zuvor, kam für den Manufaktur-Inhaber mit dem Vorschlag unverhofft die Gelegenheit, wenigstens mit den verbliebenen sechs Kindern wieder finanziell auf die Beine zu kommen, berichtet die 32-Jährige. Die gebürtige Northeimerin hat zusammen mit ihrem französischen Freund Jean Amat Amoros die Idee entwickelt, von ihrzuerst nur für den Eigenbedarf entworfene Taschenmodelle in der Kabuler Manufaktur nähen zu lassen, um diese dann in Europa zu vermarkten.
Entwicklungshilfe
"Wir wollten so den Leuten vor Ort eine berufliche Perspektive bieten. Aus unserer Sicht ist dies der wichtigste Beitrag zum heutigen Wiederaufbau in Afghanistan", sagt Dr. Wiegmann, die zwischen 2005 und 2009 zweieinhalb Jahre als Entwicklungshelferin für die Welthungerhilfe, die UNO und den Sondergesandten der Europäischen Union in Afghanistan tätig war und dort auch ihren Freund kennen lernte. Jetzt leben sie zusammen in Berlin, sind einige Male pro Jahr in Afghanistan und koordinieren von Berlin aus die Taschenproduktionin Kabul sowie die Vermarktung über den Online-Shop https://gundara.com in Europa. "Mein Freund Jean ist zwar Geograf und ich bin Politologin, aber wir haben uns schon immer für Kreatives interessiert und wollten gerne aus eigener Kraft etwas auf die Beine stellen". Im Frühjahr 2006 wurden die Beiden auf die Manufaktur in Kabul aufmerksam. Viel los war dort nicht. Zunächst entwarf Dr. Gunda Wiegmann Taschen für sich selbst und ließ sie dort nähen. Drei Jahre später hatte ihr Freund Jean die Idee, die bisher entstandenen Entwürfe in einem Katalog zusammen zu fassen, um sie, zunächst in Kabul, besser vermarkten zu können. Diese Idee verfolgte das Paar immer weiter und
nur ein paar Monate später wurde der Gundara-Online-Shop (Erklärung des Namens siehe Info-Kasten) eröffnet. "Wir wollten ein soziales Unternehmen schaffen, das wahrhaftig nachhaltig sein würde", erklärt Dr. Gunda Wiegmann das Vorhaben. Etwa 30 Prozent des Verkaufspreises der Ledertaschen gehen zurück an den Produzenten in Kabul. Durch "Gundara" haben circa zehn afghanische Familien ein regelmäßiges Einkommen. Zudem bezieht das Unternehmen seine Produkte meist direkt von Händlern in Kabul. Für die Taschen wird zum Beispiel Ziegenleder aus dem Norden des Landes verwendet.
Die Arbeit zwischen Berlin und Kabul gestaltet sich jedoch häufig schwierig: "Zu Beginn haben wir die Taschen erst bei Herrn Yaqub geordert, wenn uns in Berlin Bestellungen
vorlagen. Wir hatten kein Lager. Dadurch hat die Lieferung manchmal sehr lange gedauert", erklärt die junge Unternehmerin. "Einmal wurde der Laden bei einem Selbstmordattentat gegenüber von der indischen Botschaft in Kabul in Mitleidenschaft gezogen und dadurch verzögerte sich unsere Lieferung um mehrere Monate, wofür nicht alle Kunden Verständnis hatten", berichtet die 32-Jährige. "Zum Glück hatten Jean und ich bereits einige Jahre in Afghanistan gearbeitet und waren mit der Kultur vertraut. Ein sehr wichtiger Türöffner war auch, dass wir beide Dari (afghanischer Dialekt des Persischen) sprachen und direkt mit Herrn Yaqub und seinen Kollegen kommunizieren konnten."
Vermarktung
Im ersten Jahr wurden fast 400 Ledertaschen, größtenteils über den Online-Shop nach Dänemark, in die USA, Mazedonien, Luxemburg, Schweden, Frankreich, Österreich und in die Schweiz verkauft. Zu haben sind die handgefertigten Stücke auch in einem Geschäft in Berlin-Mitte. "Unsere Kundschaft ist eine Mischung aus Menschen, denen einfach die Taschen gefallen, anderen, die das Konzept gut finden und wieder anderen, die einen besonderen Bezug zu der Region haben", sagt Dr. Gunda Wiegmann. Für die Zukunft hat sich das junge Paar vorgenommen, die Ledertaschen in Afghanistan und in Europa noch besser zu vermarkten, den Umsatz zu steigern und die Produktpalette zu erweitern. Mittlerweile gibt es im Online-Shop auch Filzprodukte und handgewebte "Susanni"-Teppiche. Weitere Informationen und einen Überblick über das Taschensortiment gibt es unter https://gundara.com.
"Gundara"
Das Wort "Gundara" ist eine Eigenkreation, erklärt Dr. Gunda Wiegmann. Es erinnere an "Guldara" das ist persisch und bedeutet Blumental und an "Gandhara" die buddhistisch geprägte Periode in Afghanistan und Pakistan. "Außerdem erinnert dieses persisch klingende Wort an meinem Namen".